Schon seit der Arbeit an meiner Dissertation an der Universität Wien (2006-2009) über den jüdischen Kabarettautor und Komponisten Hugo Wiener (1904-1993) kannte ich den Namen Emil Wittenberg sehr gut. Er war einige Male im kleinen Wiener Kabarett „Cabaret ABC“ nahe der Universität in den Jahren 1935-1937 für das Bühnenbild verantwortlich gewesen. Dort spielte zur gleichen Zeit die junge Schauspielerin Cissy Kraner (1918-2012) – die spätere Gattin Hugo Wieners – ihre ersten Rollen. Für meine Dissertation führte ich viele Gespräche mit Cissy, die ein phänomenales Gedächtnis besaß - als ich sie kennenlernte, war ich 23, und sie 88 Jahre alt! Doch jahrelang erzählte sie mir detailliert Informationen aus ihrem langen Künstlerleben. Auch nach meiner Promotion 2009 trafen wir uns noch viele Male bis zu ihrem Tod mit 94 Jahren am 1. Februar 2012.
Cissy Kraners Karriere, die mehr als 70 Jahre dauern sollte, begann in Wien in den 1930er Jahren. Cissy wurde am 13. Jänner 1918 in Wien geboren. Schon als Kind wusste sie, dass sie unbedingt Schauspielerin werden wollte, was ihren Eltern gar nicht gefiel, da sie es lieber gesehen hätten, dass ihre Tochter einen anständigen Beruf lernt und heiratet. Doch die kleine Cissy hatte ihren eigenen Kopf: Sie verließ mit 14 Jahren die Schule und begann eine Ausbildung zur Schauspielerin.
Nach Hitlers Einmarsch in Österreich im März 1938 nahm Cissy das Angebot des jüdischen Kabarettautors Hugo Wiener an, mit ihm und einem Ensemble von Sänger*innen und Tänzerinnen auf ein Gastspiel nach Südamerika zu gehen – woraus schließlich 10 Jahre Exilaufenthalt in Kolumbien und Venezuela wurden. Bereits in den ersten Wochen kamen sich die energische Cissy und der ruhige, wesentlich ältere Hugo, immer näher und wurden nach einiger Zeit ein Paar.
Hugo traf einige Zeit später ein grausames Schicksal – er verlor seine gesamte Familie im Holocaust. Hugo musste seine gesamte Familie in Wien zurücklassen. Er versuchte, was er konnte, um für seine Eltern, seine Schwester und seinen Schwager rettende Visa nach Südamerika zu erhalten, doch leider ohne Erfolg. Sie alle wurden im November 1941 in ein Lager nach Kaunas in Litauen deportiert und sofort nach der Ankunft erschossen. Die junge Cissy spürte, wie verzweifelt und depressiv der äußerst sensible Mann war und tröstete ihn. Dadurch wuchsen sie immer mehr zusammen.
Das Gastspiel in Kolumbien, das in Bogotá begonnen hatte und danach wegen des großen Erfolges durch viele weitere Städte Kolumbiens führte, endete schließlich mit dem Zerfall der Truppe, da sich einige Tänzerinnen aus dem Ensemble verabschiedeten und ihre eigenen Wege gingen. Cissy und Hugo beschlossen, alleine weiterzumachen und bauten sich mit viel Mühe und Einsatz eine neue Existenz in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, auf. Es folgten die arbeitsreichsten Jahre ihres ganzen Lebens, denn sie mussten völlig von Neuem beginnen und übten zahlreiche Berufe parallel aus. 1943 heiraten die beiden und nach dem Ende des Krieges kehrten sie wieder nach Wien zurück und begannen 1950 eine sehr erfolgreiche Karriere im Kabarett „Simpl“, die beinahe 20 Jahre dauern sollte.
Bis Mai 1993 waren Cissy und Hugo über 50 Jahre lang auf der Bühne und im Leben ein unschlagbares Team, dessen großartige Karriere durch den plötzlichen Tod Hugos im Alter von 89 Jahren mit einem Schlag beendet wurde. Um ihr gemeinsames Werk weiterhin dem Publikum vorzutragen, trat Cissy von nun an mit ihrem Kollegen Herbert Prikopa (1935-2015) als Begleiter am Klavier auf. Nach einem schweren Haushaltsunfall, beendete Cissy ihre Bühnenkarriere 2005 im Alter von 87 Jahren.
Und ein Jahr später lernte ich sie kennen. Da Cissy eine sehr energische Person war, hatte ich großen Respekt vor unserem ersten Treffen und war ein wenig nervös. Aber meine Sorgen waren unbegründet, denn wir fanden bald einen guten Draht zueinander und verstanden uns sehr gut. Im Lauf der nächsten Jahre besuchte ich sie sehr oft und sie beantwortete mir meine Fragen mit größter Genauigkeit – und sang mir alte Lieder aus ihren ersten Bühnenjahren vor.
Ganz besonders stolz war ich, als Cissy bei der Verleihung meines Doktortitels als mein Ehrengast im Festsaal der Universität Wien dabei war. Das war für mich das größte Geschenk, das sie mir machen konnte, denn sie war damals schon beinahe 92 Jahre alt! Ich besuchte sie, die weiterhin geistig sehr fit war, auch danach noch des Öfteren. Ihr Tod zwei Jahre später war für mich trotz ihres hohen Alters ein großer Schock, da sie mich ein gutes Stück meines Studiums begleitet hatte und ich ihr sehr viel verdanke.
Selbstverständlich beschäftige ich mich auch weiterhin sehr viel mit Cissys und Hugos Leben und da ich viele Dinge aus beider Biografie noch nicht kenne, gibt es auch für mich noch einige Überraschungen. Vor allem diese: In Cissys Korrespondenzen fand ich 74 Briefe von Emil Wittenberg aus dem Zeitraum März 1936 bis Juli 1966.
Emil, der als Innenarchitekt die Firma seines Vaters übernommen hatte, arbeitete öfters als Bühnenbildner im „Cabaret ABC“ und Cissy spielte dort in der Saison 1935/36 in drei verschiedenen Programmen. Die beiden wurden ein Paar und führten von ca. Herbst 1935 bis Ende 1937 eine Beziehung mit vielen Höhen und Tiefen.
Welch wichtiger Mensch Emil für Cissy war, zeigt sich darin, dass die beiden auch nach dem Ende ihrer Beziehung einander sehr verbunden blieben und sie diese 74 Briefe bis zu ihrem Tod aufbewahrte.
Ich nutzte nun viele Wochen der Covid-19-Lockdowns in Wien (2020-22), um sie alle zu lesen. Es war sehr berührend, welche Zeitreise mir dadurch möglich wurde und wieviel ich darin über das Leben, den Charakter und das Schicksal Emils erfuhr. Obwohl Cissy und er nach Dezember 1937 kein Paar mehr waren, schrieben sie einander weiterhin. Sie blieben, über die Kontinente hinweg, weiterhin bis zu Emils frühem Tod am 26. Dezember 1966 brieflich verbunden.
Als ich zur Zeit der Brieflektüre auch im Internet über Emil Wittenberg recherchierte, stieß ich auf das Interview seines Neffen Martin Burman, in dem er erzählte, er wisse leider nichts aus dem Leben seines Onkels aus dessen Wiener Zeit (1910-1938).
Um ihm in dieser Angelegenheit weiterzuhelfen, schrieb ich daraufhin der 'Stories from the Dunera and Queen Mary' Webseite, worauf sich Seumas Spark zu meiner großen Verblüffung nur wenige Stunden später bei mir meldete. Ich berichtete ihm von meinen Recherchen und er brachte mich sofort in Kontakt mit Martin.
So kam es, dass ich bald aus dem fernen Wien eine Zusammenfassung meiner Informationen aus den Briefen Emils an Cissy nach Melbourne schickte, die sehr viel über ihn und sein Leben erzählen. Ich freue mich sehr, dass ich auf diese Weise neues Wissen zu Emil Wittenberg hinzufügen kann und dass ich durch meine Forschungen wunderbare Menschen kennengelernt habe.
Was sich über Emil und sein Leben in Wien aus den Briefen erfahren lässt:
Emil Wittenberg, der bereits seit seinem 14. Lebensjahr in der Firma seines Vaters tätig ist, ist ausgebildeter Innenarchitekt. Es war ein Zufall, dass es Emil überhaupt zum Theater verschlug und er in den Jahren 1935 bis 1937 einige Male zum erfolgreichen Bühnenbildner des kleinen „Cabaret ABC“ wurde. Leider ging dies, wie er betont, zu Lasten seiner anderen beruflichen Tätigkeiten und ohne, dass der finanzielle Gewinn der Theaterarbeit den Verlust ausgeglichen hätte. Weiters belastet ihn, dass nach einiger Zeit viele von den im Theater tätigen Menschen sich neidig und hinterhältig zeigen, was ihm seine Arbeit sehr erschwert und er beinahe die Freude daran verliert. Und gerade als er mit dieser Situation hadert, lernt er die quirlige, freche Cissy Kraner kennen, die für drei Programme hier engagiert ist. Sie ist anders als die anderen und lässt ihn das Theater wieder lohnenswert erscheinen. Cissy und er werden mit der Zeit ein – charakterlich höchst unterschiedliches – Paar.
Die ersten Briefe Emils, die erhalten sind, stammen von März 1936, kurz nach Cissys letztem Engagement im „Cabaret ABC“. Sie ist zu dieser Zeit am Deutschen Theater in Wien engagiert und in den nächsten Monaten folgen Beschäftigungen an verschiedenen anderen Bühnen der Stadt. Danach folgen bis Jahresende noch 13 Briefe. Emil und Cissy verbringen viel Zeit miteinander und er holt sie des Öfteren nach ihren Vorstellungen beim Theater ab. Obwohl er selbst nicht immer gut verdient, macht er ihr Geschenke und erweist ihr Aufmerksamkeiten, doch Cissy ist manches Mal launisch und kapriziös und scheint Unterstützung zu erwarten, die über Emils finanzielle Möglichkeiten hinausgeht.
Das alles strapaziert Emils Nerven sehr, da er sich sehr um sie bemüht und ihr alles recht machen möchte, um ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen. Im Dezember 1936 kommt es daher zur ersten Trennung, da Emil sich vermehrt als Belastung für Cissy sieht und ihrer Karriere als Künstlerin nicht im Weg stehen möchte.
Nach einigen Wochen Beziehungspause folgen im Februar 1937 zwei Postkarten und im Mai findet sich der erste lange Brief nach der Trennung im Dezember.
Cissy ist zu dieser Zeit mit dem „Theater der Prominenten“, einer deutschsprachigen Kabarettgruppe, im holländischen Scheveningen engagiert. Und ab jetzt berichtet Emil ihr, die so fern von ihm ist, was sich in seinem Leben während ihrer Abwesenheit ereignet.
Die Briefe bis zu Cissys Rückkehr nach Wien im Februar 1938 erzählen sehr viel über Emils Leben, seinen Alltag und seine Persönlichkeit:
Emil ist sehr verantwortungsbewusst, denn er kümmert sich viel um seinen Großvater, der mit bereits sehr alt und schwach ist. Und in seiner Werkstatt und im Büro arbeitet Emil sehr fleißig und ist auch viel andernorts tätig.
Unter anderem stattet er als Innenarchitekt Wohnungen wohlhabender Wiener Bürger in den Villengegenden Wiens aus und dekoriert die Eingangshalle eines Kinos für die Premiere des neuen Films über Napoleon Bonaparte. Doch die Briefe zeigen, dass seine Arbeit als Schaufensterdekorateur für die Wiener Hutfabrik Korff äußerst wichtig ist. Korff besitzt einige Läden in den teuren Einkaufsstraßen Wiens, und mit seinen genialen Ideen, die Fenster zu schmücken und die Ware treffend zu präsentieren, trägt Emil sehr zum Erfolg der Firma bei, was ihm viel Lob und Anerkennung bei seinen Chefs einbringt.
Emil muntert Cissy oft auf, wenn der Erfolg auf sich warten lässt und unterstützt sie auch finanziell, da sie keine hohen Gagen erhält, obwohl er selbst oft nicht besonders viel verdient. Er bleibt ihr gegenüber immer höflich, auch wenn sie selbst einen rauen Ton anschlägt und mit ihm schimpft. Er ist trotz aller Differenzen immer für sie da, wenn sie etwas braucht, gibt ihr Ratschläge, wenn sie verzweifelt ist und freut sich sehr, wenn sie auf der Bühne in ihren Rollen Erfolg hat.
Als er erfährt, dass sie sich in einen Ensemblekollegen verliebt hat, ist er sehr getroffen und braucht einige Zeit, um diese Neuigkeit zu verarbeiten. Trotzdem gibt er die Hoffnung nicht auf, dass Cissy und er wieder zueinanderfinden werden, da er sie trotz allem noch immer sehr gerne hat. In den Briefen macht er ihr deutlich, wie sehr sie ihn mit ihrem Verhalten verletzt hat.
Nach einiger Zeit glätten sich die Wogen wieder und die beiden pflegen wieder einen freundlichen Umgang miteinander. Emil freut sich schon, Cissy bald in Wien wiederzusehen, damit sie beide, wie er hofft, ihrer Beziehung eine neue Chance geben können. Doch seine Geduld wird auf eine harte Probe gestellt: Cissy nimmt ein neues Engagement nach dem anderen an, was ihrer Karriere förderlich ist, nicht aber ihrer Beziehung mit Emil, der sehnsüchtig in Wien auf ihre Rückkehr wartet. Aus ihrem ursprünglich geplanten Gastspiel von nur wenigen Wochen ist mittlerweile ein halbes Jahr geworden und Cissy kündigt an, auch über Weihnachten und den Jahreswechsel nicht nach Wien zu kommen. Die Misslichkeiten mehren sich und im Dezember 1937 kommt es zur zweiten, endgültigen Trennung als Paar. Trotzdem bietet Emil Cissy weiterhin seine Unterstützung und helfende Hand an, da er sie noch immer sehr gerne hat und sie als gute Freundin nicht verlieren möchte.
Emil berichtet auch, dass er im Alltag spürt, wie die Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei immer mehr werden und sie sich immer offener präsentieren: Als er im Juni 1937 seiner Arbeit in einem der Geschäfte der Hutfabrikanten Korff nachgeht und ein Schaufenster dekoriert, sieht er einige Truppen von Burschen und Mädchen der Nationalsozialistischen Jugend marschieren und in Sprechchören ihre judenfeindlichen Texte rufen. Neun Monate später marschiert Adolf Hitler in Österreich ein und für Emil und alle anderen jüdischen Bürger Österreichs wird jeder Tag zum Überlebenskampf.
Brief am 1. Oktober 1938:
Emil berichtet Cissy von den Vorgängen in Wien, er sucht bereits im Herbst 1938 um Ausreisepapiere und Visa an, doch aus den USA meldet sich niemand und auch sein Ansuchen nach Australien wird von der Israelitischen Kultusgemeinde nicht bestätigt; auch ein Visum nach Kolumbien zu bekommen gelingt nicht. In der Zwischenzeit versucht auch Cissy von Südamerika aus, für Emil ein Visum zu erhalten.
Brief am 29. November 1938
Emil wurde aus der Wohnung geworfen, das Geschäft der Familie wird von den Nationalsozialisten weggenommen. Emil kann bei seinem Onkel schlafen, doch er ist ständig auf der Flucht. Seine Briefe werden immer verzweifelter, da es immer mühsamer wird, eine Chance auf eine Ausreise zu bekommen.
Brief am 10. Dezember 1938
Emil läuft die Zeit davon. Er hat nur noch bis 31. Dezember Zeit, Österreich legal zu verlassen, doch seine Gesuche um Visa nach Ungarn und Australien werden abgelehnt. Er ist sehr verzweifelt.
Brief am 21. Dezember 1938
Emil versucht jede Möglichkeit, ein Visum zu erhalten, stellt sich bei -13 Grad Celsius Tag und Nacht um eine Bewilligung bei den Behörden an.
Brief zu Silvester 1938, 31. Dezember 1938:
Auch am letzten Tag des Jahres 1938 hat Emil noch keine positive Antwort über ein rettendes Visum in ein anderes Land erhalten. Cissy versucht, für ihn ein Visum für Panama zu erhalten.
Brief am 6. August 1939
Den nächsten Brief schreibt Emil erst im Sommer 1939 aus London, nachdem er aus Wien ohne Gepäck nach Rumänien geflohen war und von dort nach einigen Wochen nach London reisen konnte. Dort kann er sich rasch ein neues Leben als sehr geschätzter Mitarbeiter in einem Architekturbüro aufbauen. Doch er möchte weiter nach Australien reisen und reicht ein Visum ein, das diesmal sogar bewilligt wird. Doch das Fatale ist: kurze Zeit, bevor Emil das Visum erhalten soll, wird er als feindlicher Ausländer mit der „H.M.T. Dunera“ unter grausamen Umständen genau dorthin deportiert.
Hier geschieht nun das Unglaubliche: Cissy spürt Emil 1941 mithilfe des „Roten Kreuzes“ im Internierungslager Tatura auf und die beiden treten nun wieder in Briefkontakt!
Brief am 10. November 1941
Emil erzählt Cissy nichts von seinen schrecklichen Erlebnissen während der Überfahrt nach Australien und beginnt bald im Lager in einer Theatergruppe als Bühnenbildner zu arbeiten. Er führt Tagebuch und lernt weiterhin Englisch, um die Sprache noch viel besser zu beherrschen als er es schon tut und versucht mit Hilfe von Freunden, Visa in die USA oder nach Kuba zu bekommen.
Brief am 22. März 1942
Emil schreibt, Australien ist ein herrliches Land, es ist für ihn wunderbar, hier zu leben und er hat viele neue Freunde gefunden.
Brief am 16. Oktober 1942
Emil arbeitet als Soldat in der australischen Armee, er fühlt sich glücklich und zufrieden in diesem wunderbaren Land.
Danach tritt eine lange Pause ein. Der nächste Brief, der sich im Nachlass Cissys findet, stammt aus dem Jahr 1959.
Bis zu Emils Tod am 26. Dezember 1966 finden sich noch 6 weitere Briefe, in denen die gegenseitige Wertschätzung füreinander spürbar ist:
Emil schreibt oft, wie stolz er auf Cissy und ihren großen Erfolg mit Hugo im Wiener Kabarett „Simpl“ ist. Auch wenn die beiden tausende Kilometer entfernt sind, ist er ihnen und ihren Auftritten doch nahe und kann an ihrem Leben ein wenig teilnehmen. Denn die Lieder, die Hugo für Cissy schreibt und die sie dem Wiener Publikum in jeder Revue vorsingt, kennt Emil von Freunden, die auf ihren Reisen nach Europa zu Besuch in Wien sind. In vielen Briefen klingt großer Stolz Emils durch, dass Cissy trotz ihres großen Erfolges ihren guten Charakter behalten hat, den er bereits aus ihren gemeinsamen Jugendjahren so an ihr geschätzt hat. Sie denkt stets an seinen Geburtstag und versäumt nie, ihm zu gratulieren, was ihn unendlich freut.
Emil wiederum schreibt Cissy Karten aus den Urlauben im warmen Queensland, wo in Surfers Paradise 2000 Kilometer von Melbourne entfernt ein ganz anderes, sommerliches Klima herrscht, das er sehr genießt. Er unternimmt diese Reisen alle mit seiner Frau Gerty, die ebenfalls aus Wien stammt. Nach Emils frühem Tod übernimmt es Gerty, den Kontakt nach Wien weiter aufrecht zu erhalten, denn im Nachlass von Cissy ist eine Karte von Gerty an Cissy erhalten.
Emil bemüht sich auch sehr, Cissy und Hugo zu einem Gastspiel in Sidney oder Melbourne einzuladen. Doch Cissy sagt immer wieder ab mit der Begründung, dass es sich für sie und Hugo terminlich nicht vereinbaren lässt. Ich glaube nicht, dass dies eine Schutzbehauptung ist, um einem Treffen nach langer Zeit auszuweichen, sondern entspricht den Tatsachen. Cissy und Hugo sind in diesen Jahren fast das ganze Jahr über mit ihren Revuen im Kabarett „Simpl“ im Einsatz; die knappen freien Wochen in den Sommermonaten dienten der Erholung und der Vorbereitung der Eröffnungsrevue für die neue Saison im September.
Bis zum vorletzten vorhandenen Brief im März 1966 fragt Emil erfolglos bei den beiden an und bittet sie, ihre Pläne für das Jahr 1967 mitzuteilen, ob denn vielleicht in diesem Jahr ein Besuch in Australien möglich wäre. Dass er dieses Jahr dann selbst gar nicht mehr erleben wird, weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
Emils vorletzter Brief vom 30. März 1966 zeigt, dass es Emil und Gerty schließlich nach vielen Anläufen gelungen sein muss, 1965 eine Reise nach Österreich zu machen. Er spricht davon, im Sommer davor mit Gerty bei den Bregenzer Festspielen eine Operette gesehen zu haben – doch sonst verliert er kein Wort über seine sonstigen Aktivitäten in Österreich. Aus dem Brief geht leider nicht hervor, welche Städte die beiden auf ihrer Reise sonst noch besucht haben und ob sie auch in Wien Station gemacht haben.
Ob Emil und Cissy einander jemals wiedergesehen haben, kann ich daher leider nicht mit Sicherheit sagen, ich habe keine eindeutigen Hinweise gefunden. Ich kann es mir jedoch sehr gut vorstellen, dass auch Wien einer von Emils und Gertys Fixpunkten war. Emil schreibt zwar in einem seiner Briefe, er kann sich nicht vorstellen, jemals wieder in Wien zu leben, da er aus seiner Jugend so schlechte Erinnerungen durch die Nationalsozialisten hat – aber er würde die Stadt trotz allem gerne als Besucher wiedersehen, all die Häuser und die Orte, die ihm am Herzen liegen und an die er gerne zurückdenkt.
Doch ob er Cissy, mit der er über all die Jahre und Kontinente hinweg immer noch eine starke Bindung hatte, tatsächlich nochmals wiedergesehen hat, könnten uns nur die beiden selbst beantworten.
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Author: Karin Sedlak